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Lesen beflügelt die Fantasie und entführt uns in eine andere Welt

Lesen macht schlau. Lesen macht Spaß. Lesen entführt uns in andere Welten – Phantasiewelten, Welten voller Wissen – Natur, Politik, Wissenschaft, lustige oder auch traurige Welten. Lesen macht stolz – z.B., wenn Kinder die ersten Worte lesen können. Gemeinsam lesen, sich etwas vorlesen, zusammen in die Geschichte eintauchen, das ist wunderbar. Gemeinsam in das Buch sehen, die Bilder bestaunen, mit den Augen mitlesen, wenn Mama oder Papa oder die Großeltern vorlesen. Große Augen, pochende Herzen, mitfiebern oder träumen, erstaunt sein, all das gehört dazu.

Das sind Stunden, die sehr gut in den Herbst passen. Draußen ist es schon dunkel, die Kerze brennt, der Kakao dampft, die Decke geholt und los geht es.

Seit 2004 gibt es jedes Jahr einen bundesweiten Vorlesetag – am 3. Freitag im November. Welch schöne Idee. Erinnere uns dieser Tag, wie wunderbar es ist, vorgelesen zu bekommen, vorzulesen, zu lesen. Lesen wir uns etwas vor. Hören wir zu. Genießen wir.

Die folgende kleine Geschichte hat Lucia für uns, für diesen Vorlesetag geschrieben. Sie nimmt uns mit in die weite Welt. Herzlichen Dank und allen viel Spaß.

Das Mädchen, das von der Welt träumt

Wie jeden Tag in der Woche macht sich Marija fertig für die Schule. Mit ihrem Bruder und ihrem Vater sitzt sie am Frühstückstisch, bevor sie dann noch schnell ihre Zähne putzen und über das Feld zur Schule rennen würde. Sie würde rennen damit sie am Ende noch fünf Minuten auf dem Feldboden liegen könnte, um in den Wolken in andere Welten zu verschwinden. In den Wolken entdeckt sie Kinder aus anderen Teilen der Welt, die mit ihr sprechen und ihr Geschichten über ihre Länder erzählen. Marija stellt sich dann vor, dass vielleicht woanders auf der Welt auch jemand sie kennenlernt.

Erst gestern hatte sie Paolo aus Guatemala kennengelernt. Oft weiß sie gar nicht wo diese ganzen Länder liegen, in denen sie all ihre Freunde hat. Doch das stört sie nicht, denn das ist für sie nicht wichtig. Für sie leben doch sowieso alle auf einer Welt mit dem gleichen Himmel und den gleichen Wolken.

Heute rennt sie noch schneller, denn sie hofft Paolo wiederzusehen. Er hatte ihr von seinem kleinen Dorf in den Bergen an einem See erzählt, der von Vulkanen umgeben ist. Das fand sie sehr spannend, denn erst vor kurzem hatten sie in der Schule gelernt, dass Vulkane geschmolzenes Gestein aus dem Erdinneren ausspucken können und diese Lava rot leuchtend den Berg hinunterläuft und gefährlich ist. Heute will sie noch mehr über seine Familie erfahren. Er hatte schon gesagt, dass er ganz viele Brüder, Schwestern, Cousinen und Cousins hat und sie alle im gleichen Dorf leben. Das war eine wunderbare Vorstellung. Auch sie hätte gern viele Cousinen und Cousins, aber sie hat nur zwei und die leben zwei Stunden mit dem Auto entfernt. Angekommen, legt sie sich schnell auf den Boden und da, da schwebt auch schon eine Wolke auf sie zu mit dem runden Gesicht und den großen Augen von Paolo. Sie freut sich so sehr, dass sie am liebsten aufspringen würde, um sich im Kreis zu drehen. Doch sie bleibt liegen, denn sie hat nicht viel Zeit. Freudig begrüßt auch er sie und erzählt von den Fußballwettkämpfen auf dem Platz vor der Kirche. Am Sonntag hatte er das entscheidende Tor geschossen. Am Abend gab es wie fast immer die Tortillas von seiner Oma selbst gemacht mit Reis, Bohnen und Hühnchenfleisch und an diesem Sonntag schmeckten sie besonders gut. Marija hat noch nie von Tortillas gehört. Sie verabschiedet sich von Paolo und überlegt gleich heute ihre Mama zu fragen, ob sie Tortillas mit Reis, Bohnen und Hühnchenfleisch zum Abendbrot essen können, wie ihr neuer Freund Paolo aus Guatemala.